Montag, 14. Mai 2012

Asterix und Obelix lagen voll daneben: Die Erde war rund! Schon immer!


Im Laufe der Geschichte war das Weltbild der Menschen einem ständigen Wandel unterworfen. Schon immer sahen sich die Menschen mit ihnen unbekannten Territorien konfrontiert, die es zu entdecken galt. Auch wenn es heute praktisch keine weißen Flecken mehr auf unseren Landkarten gibt, bleibt die Frage spannend, in welchen Schritten die Erde entdeckt wurde und wie sich das Weltbild immer wieder aufs Neue den wissenschaftlichen Erkenntnissen anzupassen hatte.
Vielen Menschen ist das Bild geläufig, die Erde sei im Mittelalter als eine Scheibe wahrgenommen worden.

Dies ist ein weit verbreiteter Irrglaube, denn wie der Romanist Reinhard Krüger beschreibt, gab es in der gesamten Epoche des Mittelalters lediglich drei Gelehrte, die diese Ansicht teilten. Diese wurde jedoch nie einer breiteren Masse gelehrt und wurde erst im Zuge der Aufklärung berühmt gemacht, um zu zeigen wie Rückständig und verklärt die Ansichten der Kirche angeblich waren.
Die schematische Darstellung der Erde als Scheibe hatte wohl schlichtweg didaktische Gründe. Für das Einzeichnen von Routen und neuen Gebieten war eine zweidimensionale Darstellung die beste, d. h. am leichtesten zu verstehende.
Jedoch war eigentlich bereits seit der Antike bekannt, dass die Erde eine Kugel ist. Sogar der Erdumfang sowie Durchmesser wurden erstaunlich genau berechnet. Mathematiker und Gelehrte der Antike 
Ebenso wurden die unbekannten Gebiete der Welt früher oft mit Fantasie und Einfallsreichtum aufgefüllt. Wo Platz dafür war, erfand man Geschichten über Inseln voller Drachen und Dämonen, unbekannte Zivilisationen oder versunkenen Städten.
Einige spannende Artikel zu diesem Thema finden sich unter: 
Weitere Literatur von Prof. Dr. Reinhard Krüger:

Sonntag, 13. Mai 2012

Paracelsus - Der unbequeme Heiler


Mit Sicherheit kennt jeder, wirklich jeder mindestens eine „Paracelsus Apotheke“ in seinem Wohnort. Nur wenige wissen, dass sich hinter diesem Namen der mittelalterliche Medicus Theophrastus Paracelsus (*1493/94) verbirgt, der seinerzeit die Welt der Medizin auf den Kopf stellen wollte.
Oft wird er mit seiner ganzheitlichen Auffassung von der Natur des Menschen als inoffizieller Schutzpatron der Alternativmedizin gesehen. Allerdings zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass seine Ansichten im Kontext der überholten mittelalterlichen Humoralpathologie zwar der einzig richtige Ausweg aus den fehlgeleiteten Schlussfolgerungen seiner Zeit waren, sie jedoch nicht als Grundlage für ein alternativ- oder komplementärmedizinisches Konstrukt der heutigen Zeit herhalten können. 

Der gängigen Ansicht des Mittelalters nach war die Gesundheit des Menschen vom Gleichgewicht der vier Säfte (gelber und schwarzer Galle, Blut und Schleim) abhängig. 
Auffallend ist, dass sich Paracelsus bereits in der Mitte des 16. Jahrhunderts kritisch über die Viersäftelehre bzw. Humoralpathologie äußerte, die von der Antike (ca. 440 v. Chr.) bis ins 19. Jahrhundert die Grundlage der westlichen Vorstellung von Medizin war. 
Laut ihr entsprach jeder Saft des Körpers einem der vier Elemente aus der Natur also Luft, Feuer, Erde und Wasser. Jedem der Säfte wurden überdies auch bestimmte charakterliche Eigenschaften, Lebensphasen sowie ein bestimmter Apostel zugeordnet. Auch die Astrologie vollzog zahllose Brückenschläge zu diesem Weltbild. Des Weiteren gab es die Vorstellung, dass sich entweder über speziell eingerichtete Diäten oder Aderlässe das Gleichgewicht der Säfte bewahren oder wiederherstellen ließ. Paracelsus widersprach dieser Auffassung jedoch grundlegend.

P. hinterließ nach Luther die zweitgrößte frühneuzeitliche deutsche Sammlung an Fachliteratur. Allerdings wurden seine Schriften erst ab 1560 editiert. Paracelsus starb bereits 1541 in Salzburg. Die einzige größere Abhandlung, die er noch zu Lebzeiten hinterlassen hatte, war die „Grosse Wundartzney“ die er 1536 in Augsburg veröffentlichte.
Die Streuung seines Lebenswerkes lässt sich nachvollziehen, wenn man um Paracelsus auffassung über das Verhältnis von Buchwissen und persönlichem Erfahrungsschatz weiß. In einem Brief von 1531 erklärt er: „Deswegen folgt aus dem, da[ß] der medicus nicht alles, das er können und wissen soll, auf den Hohen Schulen lernt und erfährt, sondern er mu[ß] auch auch zuzeiten zu alten Weibern, Zigeunern, Schwarzkünstlern, Landfahrern, alten Bauersleuten und dergleichen mehr unachtsamen Leuten in die Schul gehen und von ihnen lernen, denn diese haben mehr wissen von solche Dingen (gemeint sind angehexte Krankheiten) denn alle Hohen Schulen.“ 
Wie man sieht, war für Paracelsus also jene wissenschaftliche Größe, die wir heute großzügig mit dem Begriff der Empirie, beschreiben könnten, weitaus wichtiger als das tradierte Wissen aus Schulbüchern. Der persönliche Erfahrungsschatz und die Eigenverantwortung waren für P. unersetzbar und standen dem damaligen Weltbild einer kirchenhörigen, autoritätstreuen Medizin entgegen. 

Diese Ansicht kann zwar auf das heutige Verhältnis von Schul- und Alternativmedizin übertragen werden, jedoch darf man nicht vergessen, dass der zentrale Aspekt der Empirie heute zentraler Bestandteil jeder Wissenschaftlichen Arbeit ist. Ein erneutes Anwenden der paracelsischen Idee auf den heutigen Wissenschaftsbetrieb würde also einen Rückschritt bedeuten, auch wenn es zweifelsohne wichtig ist, den skeptischen Grundgedanken seiner Arbeit zu pflegen und zu bewahren. 

Notes:

Zitat aus: De occulta philosohia, in: Paracelsus Werke hg. v. Will-Erich Peuckert, Darmstadt 1976, BD. 5, S. 169 ff. 

Freitag, 11. Mai 2012

„The Lobotomist“ - Walter Freeman


Wenn wir heute an Psychiatrie denken, haben wir oft ein recht homogenes Bild vor Augen. In einer geschlossenen Anstalt kümmern sich Ärzte und Pfleger in weißen Kitteln um Patienten die aus unterschiedlichsten Gründen unter Wahnvorstellungen, Zwängen, Süchten oder starken Persönlichkeitsstörungen leiden. Die Behandlungsmethoden heute bestehen hauptsächlich im Einsatz von Medikamenten und unterschiedlichen Therapieverfahren in Gruppen- und/oder Einzelsitzungen. 
Die Psychiatriegeschichte des 20. Jahrhunderts offenbart jedoch, dass es bis zum heutigen humanistischen Selbstverständnis der Psychiatrie ein langer Weg gewesen ist, der von den Schrecken des Vergangenen Jahrhunderts nicht unberührt blieb. Keinesfalls kann im Kontext von Geisteskrankheit heute von lückenloser Aufklärung oder gar Toleranz gesprochen, alles in allem sind wir jedoch auf einem guten Weg, weil wir uns immer mehr vor Augen führen, dass im Mittelpunkt der Behandlung der Patient als Person mit uneingeschränkter Würde steht. Es ist das Verhalten oder die Lebensumwelt, die von therapeutischer Seite aus dahingehend verändert werden sollte, das der Leidensdruck der Betroffenen gelindert oder bestenfalls aufgehoben wird. 

Jedoch sind viele heute akzeptierte Persönlichkeitsbilder und Lebensarten wie zum Beispiel Homosexualität früher als „krankhaft“ bezeichnet worden. Gegen derlei Befunde wurde sich oft rabiater Methoden bedient, von denen eine hier näher beleuchtet werden soll: Die Lobotomie. 
Lobotomie bezeichnet einen neurochirurgischen Eingriff, bei dem die Verbindung von Stirnhirn und Thalamus gekappt wird. Die Art des Eingriffs erscheint heute barbarisch, da es üblich war den Eingriff mit einem Eisenstab direkt durch die Schädeldecke vorzunehmen. Erst später ging man dazu über, mit einem Hammer und einer Art Eispickel durch die Augenhöhle des Patienten in das Hirn einzudringen und dort ein wenig „herumzurühren“, um Hirngewebe zu zerstören. 
Der Thalamus ist der Bereich des Gehirns der uns entscheiden lässt, welcher Aspekt unserer Wahrnehmung gerade wichtig genug ist, dass er unsere Aufmerksamkeit verdient. Der Stirnlappen regelt Aufmerksamkeit und treibt uns an, passt unser Verhalten den jeweiligen Situationen an und ermöglicht uns zu schlussfolgern. Wenn man sich die Trennung dieser beiden Bereiche vor Augen führt, lässt sich nur all zu leicht vorstellen, dass die Opfer dieser Operationen in willenlose, umgängliche "Zombies" verwandelt wurden, die sich leichter pflegen und betreuen ließen und einfachen Aufgaben nachkommen konnten, ohne jedoch eigene Beurteilungen vorzunehmen oder einen emotionalen Bezug zur jeweiligen Situation herzustellen. 

Walter Freeman bei der Durchführung einer Lobotomie (Quelle: http://www.geo.de/GEO/heftreihen/geokompakt/57364.html)
Wie jedoch kam man auf die aberwitzige Idee mit dieser Methode Menschen helfen zu wollen? 
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Wiege der Neurochirurgie in Europa zu finden ist. Ihre geistigen Väter waren Mario Fiamberti und Antonio Egaz Moniz. 
In Amerika kam die Methode erst in Mode, als Sie von Walter Freeman und James Winston Watts adaptiert und später von Freeman „perfektioniert“ wurde. Alle diese Wissenschaftler waren Anti-Freudianer. Dem neumodischen Therapieansatz aus Europa begegnete man mit der Einstellung, dass die körperlichen Erkrankungen, die zu seelischen Symptomen führten auch nur mit körperlichen Gegenmaßnahmen kuriert werden konnten. 
Diese Auffassung spiegelte sich auch in den übrigen therapeutischen Maßnahmen der damaligen Zeit wider. Eisbäder, Elektroschocks und durch das Injizieren von Malaria-Erregern herbeigeführte Fieberschübe waren im anglo-amerikanischen Raum an der Tagesordnung.
Walter Freeman war studierter Linguist und Historiker. Warum auch immer er sich für eine Karriere in der Psychiatrie entschied, sein selbsterkorenes Ziel war die massenhafte Verbreitung der Lobotomie. Von Anfang an war ein begeisterter Anwender dieses Verfahrens. Einen wahrhaftigen Boom erlebte diese Art des Eingriffs jedoch erst nachdem Moniz 1949 den Nobelpreis für Medizin erhielt. Dieser war für die Lobotomie eine Art Gütesiegel und die Zahl der durchgeführten Operationen stieg von bisher 5.000 auf sage und schreibe 20.000 im ersten Jahr nach der Vergabe.
Freeman war so sehr an der Verbreitung gelegen, dass er die Methode so anpasste, dass sie auch von wenig ausgebildeten Kräften durchgeführt werden konnte. Zeit war auch damals in der Psychiatrie Geld und in den Jahren nach dem Krieg warteten hunderttausende Soldaten auf die Behandlung ihrer erlittenen Traumata. Statt den Eingriff durch die Schädeldecke zu vollziehen, ging er dazu über den Opfern mit einer Art Eispickel am Auge vorbei ins Gehirn zu stechen. Es galt lediglich eine Dünne Knochenwand zu durchstoßen, was mit einem kleinen Hammer erledigt werden konnte. Freeman führte so mehrere dutzende Behandlungen pro Tag durch ohne Pausen zwischen den einzelnen Patienten zu machen oder den Behandlungsraum verlassen zu müssen.

Erst nachdem er einem Gremium von Ärzten stolz einen apathisch wirkenden 12 Jahre alten Jungen präsentierte, den er mittels Lobotomie unter anderem von schlechten Tischmanieren geheilt zu haben glaubte, endete sein Erfolg. Er wurde von der Bühne gepfiffen. Freeman soll wütend eine Kiste mit Dankbekundungen und Weihnachtskarten von seinen Patienten auf den Boden geworfen und gefragt haben: „Wie viele Danksagungen bekommen sie von ihren Patienten?“ 
Nachdem er ein Operationsverbot erhielt begann Freeman durch die USA zu reisen und ehemalige Patienten aufzusuchen. Erlebnisberichte sollten seinen Ruf wiederherstellen.
Auch wenn es Tote gab und die Zahl der Menschen von denen kaum mehr als eine leere Hülle übrig blieb immens gewesen sein muss, gab es auch Patienten die von einer Linderung ihrer Symptome berichten konnten oder im Alltag besser zurecht kamen. 

Bis 1972 sind etwa 100.000 Menschen lobotomisiert worden. Darunter waren auch Gefängnisinsassen und vermeintlich Geisteskranken in Europa und der Sowjetunion. Das Verfahren wird heute nicht mehr angewandt, findet jedoch in Filmen wie „From Hell“, „Sucker Punch“ oder  „Shutter Island“ immer wieder Beachtung. 

Notes: